Nachdem sie im Februar und März zweimal erneut verschoben wurden, sind das Referendum und die Parlamentswahl in Guinea am 22. März gegen den Widerstand der Opposition durchgeführt worden. Wie berichtet ging es bei der Abstimmung um die mögliche Wiederwahl des amtierenden 82-jährigen Präsidenten Alpha Condé , der sich eine dritte Amtszeit von nun sogar 6 Jahren garantieren will. Gleichzeitig sollte die Verabschiedung zahlreicher sozialer Gesetze erfolgen, darunter z.B. Gleichstellung der Geschlechter, Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung u.a. Über die Unruhen und teils blutigen Auseinandersetzungen im Vorfeld haben wir bereits in einem Artikel über den Aufenthalt in Guinea im Januar diesen Jahres geschrieben. Diese Konflikte führten schließlich u.a. auch dazu, dass der Verein „Sundjata“ seine gespendeten Hilfsmittel nicht wie geplant in der Cité de Solidarité übergeben konnte. Die Hilfsmittel (Rollstühle, Gehstützen u.a.) lagern nun immer noch in Koolo Hinde, weil ein Transport zurück nach Conakry weiterhin zu unsicher ist.
Was damals am 23. Januar 2020 noch in der Hand und in der „Macht“ eines „kleinen“ Zollbeamten lag, nämlich zu entscheiden, ob unsere Hilfsgüter für Menschen mit Handicap zurück nach Conakry transportiert werden dürfen, wird nun von politischen Unruhen verunmöglicht und…
…und natürlich mittlerweile durch eine weltweite Pandemie zusätzlich erschwert. Während wir in Deutschland und in Europa einer weitgehenden Ausgangsbeschränkung unterliegen, während in Europa weite Teile des öffentlichen Lebens stillgelegt werden und die Versorgung der von Covid-19 erkrankten Menschen in einigen Ländern schon an die Grenzen der Machbarkeit stößt mit den Folgen ungezählter unnötiger Toter, hat die Welle der Infektion Guinea erst am Anfang erreicht. Man spricht noch von 20 – 30 Infizierten und über 1000 Kontaktpersonen (Stand 30.3.2020). Von letzteren wollen aber nur 2/3 sich den auferlegten Vorsichtsmaßnahmen unterwerfen. Auch Guinea wird in den kommenden Wochen von der Pandemie in einem Maße betroffen sein, welches die Kapazitäten des öffentlichen Gesundheitswesens überfordern wird. Die derzeitigen Tagestemperaturen von 30 – 35 ° C mögen die Verbreitung noch etwas erschweren (was man jedoch nicht sicher weiß). Bald jedoch geht auch die Regenzeit los, ein Umstand, welcher die schlechten Verkehrswege in Guinea auch für Hilfsmaßnahmen nicht gerade verbessert.
Wir wissen, dass die hygienischen Bedingungen für die meisten Menschen in den Städten, aber auch in der Provinz, schlechter sind als in Europa. Bei unserem Besuch im letzten Jahr bei den Ärmsten in Guinea, bei den Menschen die allein aufgrund ihrer körperlichen Behinderungen zum Betteln auf der Straße gezwungen sind, erlebten wir , dass man bei den sanitären Einrichtungen selbst einer staatlich geförderten Einrichtung wie der Cité de Solidarité nicht von „Sanitas“, von Hygiene, von Scham oder gar Menschenwürde reden kann.
Die vielen Menschen ohne Obdach oder mit einem Dach einer Blech- oder Holzhütte über dem Kopf werden die Hauptleidtragenden einer Ausbreitung der Seuche in Guinea sein.
In Guinea wurde am 26. März der Ausnahmezustand ausgerufen. Taxifahrer und Transporteure wurden zur reduzierten Mitnahme von Passagieren verpflichtet, wollen dies jedoch nicht akzeptieren, zumindest wenn nicht gleichzeitig der Benzinpreis deutlich gesenkt wird. Außerdem herrscht nächtliche Ausgangssperre. Die nun zusätzliche totale Isolation der Hauptstadt mit Ausreiseverbot ist für die HändlerInnen aus dem Umland eine finanzielle Katastrophe, ebenso leidet darunter massiv die Versorgung der Hauptstadt mit Lebensmitteln. Aus der Opposition gibt es die Forderung, die überfüllten Gefängnisse zu leeren. Die religiösen Versammlungsorte wurden geschlossen.
Große westliche Staaten haben das Wahlergebnis (91,6 % Zustimmung bei einer Wahlbeteiligung von 61 %) nicht anerkannt, Russland dagegen schon. Die Oppositionsparteien gehen vor das Verfassungsgericht und haben die UN angerrufen.
Das Zusammentreffen dieser zwei Krisenherde, der politisch aufgeheizten Lage nach dem Referendum und der drohenden Ausbreitung der Corona-Seuche, wird Guinea, wie andere Staaten in Afrika ebenso, vor große Probleme stellen. Die Gefahr ist dabei offensichtlich sehr groß, dass neben dem Tod von unzähligen ungeschützten Menschen und drohenden neuen sozialen Konflikten die Machthaber staatlich notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche gleichzeitig zum Ausbau autoritärer Strukturen und zur Festigung ihrer Macht missbrauchen. Auch hier Forderungen aus der Opposition, die Polizei lieber zur Unterstützung der Bevölkerung einzusetzen als zur politischen Repression.